Brauchen wir ein neues Operating System?​

Was soll man noch zu dieser surrealen Situation einer globalen Pandemie schreiben? Ist nicht bereits alles an Utopien und Dystopien formuliert und diskutiert worden?

Und bleiben alle Zeilen nicht mehr als ein ohnmächtiger Versuch, diese absurde Situation einordnen zu wollen, an dem wir kläglich scheitern müssen? 

Diese Pandemie zieht uns die Hosen runter und zeigt die blanke Realität unserer Systeme: der Politik, der Medizin, der Forschung und Unternehmen. Im Ausnahmezustand greifen die Plattitüden des hektischen Alltags nicht mehr. Das Aufschieben und Schönreden zerschellen an der Realität der extremen Distanz und Nähe gleichermaßen. Spätestens wenn man für die Förderung zur Einrichtung eines digitalen Arbeitsplatzes ein Formular ausdrucken und per Post schicken muss ist klar – es gibt verdammt viel zu tun.

Schon vor der Krise war einigen klar, dass hinter der Schönwetter Rhetorik dunkle Wolken aufziehen. Wenn 100 Podiumsdiskussionen die Digitalisierungsmaßnahmen der Politik und Wirtschaft abfeiern und am Tag X die deutsche Kanzlerin in Quarantäne per Telefon an Regierungssitzungen teilnimmt (Zitat zeit.de). Wie schon in meiner vorangegangenen Kolumne bin ich überzeugt, diese Pandemie ist ein Lehrmeister. Für alle.

Die Hoffnung: Sie rafft vor allem Bullshitting schnell dahin und führt zu einem ehrlichen Diskurs über den Zustand unserer Gesellschaft und zur so zentralen Frage: Was ist Fortschritt? Wie wollen wir uns als europäische Gesellschaft entwickeln? Wo wollen wir in 10 Jahren stehen? Schon vor Corona fehlte es an mutigen und positiven Szenarien, wie eine hochentwickelte Spezies ihre Existenz gestalten und verbessern möchte. Weil sie es kann.

Eben erst sah ich eine ZDF Dokumentation über die Bauhaus Revolution, die nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland keimte und die Frage nach dem Leben in der Moderne stellte. Doch in einer Zeit, in der Parteien nicht einmal ihre Spitzenpositionen besetzen vermögen, bleibt in der allgemeinen Überforderung wenig Kapazität fürs Nachdenken über das große Ganze.

Nach meiner zweiten, optimistischen Kolumne zur Corona Krise hatte ich viele Gespräche mit skeptischen Köpfen, die nicht meine Zuversicht teilen. Ich muss richtigstellen: Ich erwarte den großen Aufbruch nicht von den jetzigen, politischen EntscheidungsträgerInnen. Da fehlt es auf breitem Flur an Visionskraft, technologischer Expertise und geisteswissenschaftlichem Intellekt. Ganz nüchtern, systemisch betrachtet: Hätten sie ihn, wären sie die letzten Jahre nicht an diese Positionen gekommen. Sie sind parteipolitische System- oder Medienprofis.

Unsere Systeme brauchen nicht nur einen Reboot, sondern ein neues OS (Operating System) und dessen Code kann nicht von der parteipolitischen Elite kommen. Dessen Entwurf, Programmierung und Implementierung verlangt nach einer neuen Avantgarde. AkademikerInnen, UnternehmerInnen und Kreative. Macher, Phantasten und Rebellen. Alle an einem Tisch, um diese globale Krise als Startschuss zum größten Erneuerungspozess der Menschheit zu nützen. Nicht weniger.

Das Corona Virus ist der globale Bluescreen einer veralteten Hardware und langsamen Software, die uns zuruft: Ein Upgrade ist längst notwendig, auch wenn sich viele weigern werden, sich mit Neuem zu beschäftigen. Und ich wiederhole: Es reicht, wenn es zu Beginn die Avantgarde ist, sich stärker vernetzt und ihre Stimme erhebt. Es ist Zeit aus der toxischen Untätigkeit und Schweigsamkeit auszubrechen (dazu wird es auch neue Medien brauchen, aber dazu später). Nicht um die da oben zu bekämpfen, sondern um ihnen zu helfen, indem man voraus geht und zeigt: „Schaut, so wäre es möglich. Versuchen wir es gemeinsam!“

Es ist keine Zeit für unerreichbare Utopien, sondern für mitreisende Eutopien. Dass 90% diesen Begriff nicht kennen, ist auch ein Indiz dafür, dass wir verlernt haben zu träumen. Nicht das Unerreichbare einer Utopie, sondern die beste Version des Möglichen.

Da geht was.

Und: Teilen vermehrt ♥

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Da geht was. Die provokant optimistische, Wirtschaftskolumne von Wemorrow Gründer & Präsident Hannes Offenbacher.

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