Ist Nachhaltigkeit „nur noch“ ein politisches Schlagwort?

Sie haben das aktuelle Regierungsprogramm gelesen? Wenn ja, ist Ihnen aufgefallen, wie nachhaltig es ist?

Von Elisabeth Freytag-Riegler

Das Wort Nachhaltigkeit kommt im Regierungsprogramm ca. 100 Mal vor, darunter durchaus auch im “klassischen” Sinn: “Das grundsätzliche Handeln der Bundesregierung in der kommenden Gesetzgebungsperiode wird getragen vom Prinzip der Nachhaltigkeit auf allen Gebietskörperschaftsebenen mit dem Ziel, dass Ökologie, Ökonomie und Soziales im Sinn der Agenda 2030 der Vereinten Nationen gesamthaft betrachtet und in einen finanzierbaren und somit nachhaltigen Rahmen gestellt werden.” Wenn das tatsächlich so umgesetzt wird, ist alles gut.

Langfristiges Denken ist gerade bei der Nachhaltigkeit gefragt und alle, die sich mit dem Thema schon länger beschäftigen, wissen, dass es nicht trivial ist, bei politischen – oder auch nicht politischen – Entscheidungen immer einen Einklang der drei Dimensionen zu finden. Österreich ist in manchen Bereichen sicher ein Vorzeigemodell, bei Kreislaufwirtschaft oder nachhaltiger Beschaffung kann man von uns lernen und wir haben bei der EU-Präsident- schaft 2018 wieder gezeigt, dass niemand so nachhaltig Veranstaltungen organisiert – und zertifiziert! – wie wir. Ja eh, werden Sie sich denken, das ist ja wohl nicht so schwierig. Mag sein, aber so einfach ist auch wieder nicht. Oder sind Sie nie zu Veranstaltungen eingeladen, wo man ein Auto braucht, um hin zu kommen, nur Männer am Podium sitzen, die Milch in Plastikverpackungen neben dem Kaffeehäferl liegt und das Catering auch nicht regional ist? All das wird den Planeten nicht retten, aber es schafft Bewusstsein bei Veranstaltern und Teilnehmern.

Die Agenda 2030 als Leitmotiv ist meines Erachtens ein sinnvoller Zugang. Jetzt haben wir uns in Österreich zwar gegen eine eigene Strategie entschieden, aber dafür, die 17 Ziele überall zu integrieren – was im Endergebnis das gleiche sein sollte. Und wir sind gut im „Bottom-up“. Vieles passiert nicht, weil es jemand angeordnet hat, es ein Gesetz oder eine Verordnung gibt, sondern weil es engagierte Menschen gibt. Während der Europäischen Nachhaltigkeitswoche 2018 haben in Österreich mehr als 400 Veranstaltungen stattgefunden (in allen teilnehmenden Ländern waren es 6.400), heuer fand die Woche übrigens zwischen 30. Mai und 5. Juni statt.

Mir persönlich ist die europäische Ebene ein besonderes Anliegen, weil ich tief davon überzeugt bin, dass Europa Zukunft hat. Die EU muss Vorreiter sein, wenn es um die Umsetzung der Agenda 2030 geht. Die EU braucht eine Strategie. Ebenso wie die Nachhaltigkeit als „Leitmotiv“ im österreichischen Regierungsprogramm verankert ist, brauchen wir das in der neuen Kommission. Es geht gar nicht so sehr darum, ob man für mehr oder weniger EU ist, für mehr Subsidiarität oder mehr europäische Regelungen. Es geht darum, dass die Wirtschaft sich ihrer Verantwortung bewusst ist, ressourcenschonend, umweltbewusst und klimaverträglich agiert, sich ihrer sozialen Konsequenzen bewusst ist und dementsprechend handelt. Wachstum ist in dem Kontext übrigens weder gut noch schlecht – Wachstum gemessen in BIP-Einheiten ist kein Ziel. Ich würde mir wünschen, dass ein neuer Kommissionspräsident ein nachhaltiges Programm vorlegt, das Umwelt/Klima, Wirtschaft und Sozialpolitik nicht als Gegensätze sieht, sondern als Einheit, als einander unterstützende Aktivitäten. Wir brauchen eine leistungsfähige Wirtschaft, aber wir haben auch nur einen Planeten.

Über die Autorin: 

Elisabeth Freytag-Rigler ist Abteilungsleiterin und EU- Koordination für Klima und Umwelt im österreichischen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Sie war während der EU-Beitrittsverhandlungen Attaché an der Ständigen Vertretung in Brüssel, Projektleiterin der Initiative Wachstum im Wandel und Vorsitzende der Europäischen Umweltagentur.

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