Zeit für Optimismus

Brexit, Populismus, Klimakrise. Wer dieser Tage durch Europa reist, sieht und spürt es deutlich: In Europa liegt einiges im Argen.

Von Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer

Im Frühjahr 2019 machten wir uns auf eine sechswöchige Forschungs- und Interview Reise durch zwölf europäische Länder. Wir reisten von Polen bis Portugal, von Finnland bis Irland, über 13.000 Kilometer, um noch besser zu verstehen, wie es dem Kontinent und seinen Menschen geht. Was wir beobachtet haben, gibt uns zu denken.

Der Nationalismus erlebt eine neue Blüte und treibt das vereinte Europa auseinander. Es ist nicht nur das allseits bekannte Brexit-Chaos, sondern es sind auch nationalistische Tendenzen in Polen, Spanien, Italien und Frankreich, die an den Grundfesten des europäischen Hauses und der liberalen Demokratien rütteln. Extrem rechts- wie linksgerichtete Parteien propagieren einfa- che Lösungen und treiben die etablierten moderaten politischen Kräfte vor sich her. Wer heute auf Europa schaut, sieht, wie sich die parteipolitische Landkarte pulverisiert und neu sortiert. Dazu kommt die Klimakrise.

Wer all das liest, hört, erlebt, kann schnell resignieren. Auch wir waren auf der Europareise nicht immer davor gefeit, in Schwermut und Weltschmerz zu versinken. Doch wir haben auch Vieles beobachtet, was uns Hoffnung schenkt. Europa ist nicht nur ein Kontinent der Probleme, Europa ist auch ein Kontinent der Lösungen.

Da ist zum eine Zivilgesellschaft, die immer kreativer und aktiver wird. Lösungsvorschläge für die großen und kleinen Fragen unserer Zeit kommen immer häufiger aus der Bürgerschaft. Ein paar Beispiele: Über eine Million Menschen aus 22 EU-Staaten unterstützen die Europäische Bürgerinitiative für ein Verbot des Pestizids Glyphosat. In Südfrankreich organisieren sich junge Menschen in der Facebook-Gruppe „Recyclop“, um in ihren Städten Müll aufzusammeln. In Portugals Hauptstadt stimmen Bürger auf der Plattform „Lisboa Eu Participo“ selbst über Lieblingsprojekte ab, die sie von der Stadt gefördert sehen wollen. Europa entfaltet, trotz aller noch vorherrschenden Ungerechtigkeiten und existierenden Sexismus, immer stärker das Potential von Frauen. Ob in lokalen Büros der europäischen Institutionen oder im Aktivismus – pro-europäische und pro-demokratische Arbeit fußt in der Mehrzahl der Fälle auf dem Engagement von Frauen. In keinem einzigen regionalen Büro des Europäischen Parlaments oder EU-Infobüro haben wir auch nur annähernd eine Balance an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erlebt. Im Gegenteil: Einige Büros sind rein weiblich, alle hatten deutlich mehr Frauen im Team, auch bei der EU-Kommission. Die Lösung europäischer Probleme, die Arbeit für mehr Verständigung und Annäherung – ohne Frauen wären wir alle hoffnungslos aufgeschmissen.

Und wir beobachten wachsenden Mut, um Neues zu wagen. Der politische Raum öffnet sich für innovative Politikansätze. Bürgerbewegungen wie Pulse of Europe, die neue paneuropäische Partei Vox oder der Erfolg der #FreeInterrail Idee geben ein Zeugnis ab, wie sich immer mehr Menschen, aber auch politische Institutionen mit Neugier und Innovationsfreude auf den Weg in die Zukunft machen. Europas Bürgerinnen und Bürger mischen sich ein, weil sie spüren, das etwas Großes auf dem Spiel steht. Die Zukunft der Demokratie, die Verteidigung der Freiheit und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Dieses neue Bewusstsein gibt uns Hoffnung – und es sollte uns alle anstiften, uns für die Zukunft ordentlich ins Zeug zu legen. #TunWirWas.

Über die Autoren: 

VINCENT-IMMANUEL HERR UND MARTIN SPEER sind Autoren und Aktivisten aus Berlin. Bekanntheit erlangten sie mit ihrer #FreeInterrail- Idee und ihrem Engagement für Geschlechtergerechtigkeit und das vereinte Europa. Sie wurden mit dem Jean-Monnet-Preis ausgezeichnet. Kürzlich erschien ihr Buch #TunWirWas bei Droemer.

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