Vor 25 Jahren haben mehr als 66 Prozent der Österreicher in einer Volksabstimmung für den Beitritt zur Europäischen Union gestimmt. Ich habe an diesem Frühsommertag im polnischen Krakau als Diplomat ein Stadtfest veranstaltet.
Diplomaten organisieren normalerweise keine Bürgerfeste. Sie handeln eher im Stillen, verhandeln und unterstüt- zen nationale Politik. Aber es war keine normale Situation. Schließlich war der „Eiserne Vorhang“ gefallen und die Euphorie für ein großes gemeinsames Europa noch für jeden spürbar. Wir hatten im neuen demokratischen Polen ein österreichisches Generalkonsulat errichtet und ich habe das Ergebnis der Volksabstimmung gemeinsam mit der Bevölkerung von Krakau gefeiert, weil das Projekt der europäischen Integration nur von der gemein- Geschichte“, mich nach 9/11 wieder ganz beruhigt in mein Leben als Consultant und Investor im lässigen Techsektor ein- Verhalten zeigen sich bisher jedoch zahlreiche Unternehmen und Unternehmer. Sie wissen, dass ihr Geschäftserfolg maßgeblich von einem funktionierenden Europa abhängt, sehen die Bedrohung und beziehen dennoch nicht Position. Doch in Zeiten, in denen es der Politik an Entscheidungsfähigkeit mangelt und in denen komplexe Zusammenhänge verunsichern, braucht es Bestimmtheit und den Schulterschluss der Gesellschaft. Denn: Wie sind mehr, die für Rechtsstaatlichkeit, für Meinungs- freiheit und Einheit in Vielfalt stehen. Und wenn uns unsere Enkel fragen, wie das damals war, als beinahe ihre Zukunft auf dem Spiel stand und Europa zu zerbrechen drohte, dann wollen wir eine gute Antwort haben. samen Emotion für Europa leben kann. Es war die Zeit vor der Finanz- und der Flüchtlingskrise. Damals blickte die Welt auf die emotionale Aufbruchsstimmung in der Mitte Europas und die Zukunft schien dem Projekt Europa zu gehören. Politiker und Diplomaten sprachen von der Chance „Europa eine Seele zu geben“. Heute hingegen scheinen die Emotionen in Europa für jene zu sprechen, die die Europäische Union kritisieren und ihre „nationale Seele“ wiederentdecken. Die „Schlafwandler“ gehen um und erklären, dass es sicherer sei, die Liebe zur nationalstaatlichen Heimat zu betonen, als für ein gemeinsames Europa zu werben. Ohne Emotionen für die Idee Europa war aber die Gefahr des Nationalismus auf diesem Kontinent nie ferner. Was mir dennoch Hoffnung macht, ist die Tatsache, dass es keinen anderen Kontinent gibt, auf dem so starke Zivilgesellschaften bestehen, die nationale Abschottungen für falsch halten. Europa braucht mehr gemeinsame Öffentlichkeit für Bildung und für Kultur, ja für mich liegt in diesen Politikfeldern auch eine Mitkompetenz der Europäischen Union. Es geht dabei nicht um die Abschaffung des Nationalstaates, sondern um mehr Chancen für die kulturelle Vielfalt Europas. Joseph Roth hat mit Blick auf die multinationale Tradition Österreichs gesagt, dass er Österreich liebe, weil es ihm erlaube, Patriot und Weltbürger zugleich zu sein.
Beim Thema innovatives Europa erklären uns derzeit die meisten Politiker in der Europäischen Union, dass dieser Kontinent nur dann lebenswert und erfolgreich sein wird, wenn wir ein großes „Silicon Valley“ werden, technologische Führerschaft anstreben und möglichst nur mehr IT-Fachleute in die EU-Staaten zuwandern. Aber genügt ein solches technokratisches Europa, um Frieden, Wohlstand und (mehr) Gerechtigkeit zu sichern? Europäisches „Leadership“ kann nicht nur bedeuten, dass die EU effizient und effektiv handeln muss. Diese Ziele sind wichtig und vernünftig, aber nicht ausreichend. Sie sind leider ein Hinweis auf ein dramatisches europä- isches Politikdefizit. Weder die EU-Bürokratie noch die europäische Diplomatie können dieses Defizit ausgleichen. Fortschritt in Europa braucht mehr politischen Gestaltungswillen und mehr emotionales Engagement.
Über den Autor:
Emil Brix ist Diplomat und Historiker. Von 1986 bis 1989 leitete er das Büro des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung. Von 1990 bis 1995 war er österreichischer Generalkonsul in Krakau, anschließend vier Jahre lang Direktor des Österreichischen Kulturinstitutes in London. Er leitete die Kulturpolitische Sektion des Außenministeriums und war von 2010 bis 2015 Botschafter im Vereinigten Königreich sowie von 2015 bis 2017 in der Russischen Föderation. Seit 2017 ist Brix Direktor der Diplomatischen Akademie Wien. 2018 erschien sein mit Erhard Busek verfasstes Buch „Mitteleuropa Revisited“.
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Zeit für Optimismus?
Von Emil Brix
Diplomaten organisieren normalerweise keine Bürgerfeste. Sie handeln eher im Stillen, verhandeln und unterstüt- zen nationale Politik. Aber es war keine normale Situation. Schließlich war der „Eiserne Vorhang“ gefallen und die Euphorie für ein großes gemeinsames Europa noch für jeden spürbar. Wir hatten im neuen demokratischen Polen ein österreichisches Generalkonsulat errichtet und ich habe das Ergebnis der Volksabstimmung gemeinsam mit der Bevölkerung von Krakau gefeiert, weil das Projekt der europäischen Integration nur von der gemein- Geschichte“, mich nach 9/11 wieder ganz beruhigt in mein Leben als Consultant und Investor im lässigen Techsektor ein- Verhalten zeigen sich bisher jedoch zahlreiche Unternehmen und Unternehmer. Sie wissen, dass ihr Geschäftserfolg maßgeblich von einem funktionierenden Europa abhängt, sehen die Bedrohung und beziehen dennoch nicht Position. Doch in Zeiten, in denen es der Politik an Entscheidungsfähigkeit mangelt und in denen komplexe Zusammenhänge verunsichern, braucht es Bestimmtheit und den Schulterschluss der Gesellschaft. Denn: Wie sind mehr, die für Rechtsstaatlichkeit, für Meinungs- freiheit und Einheit in Vielfalt stehen. Und wenn uns unsere Enkel fragen, wie das damals war, als beinahe ihre Zukunft auf dem Spiel stand und Europa zu zerbrechen drohte, dann wollen wir eine gute Antwort haben. samen Emotion für Europa leben kann. Es war die Zeit vor der Finanz- und der Flüchtlingskrise. Damals blickte die Welt auf die emotionale Aufbruchsstimmung in der Mitte Europas und die Zukunft schien dem Projekt Europa zu gehören. Politiker und Diplomaten sprachen von der Chance „Europa eine Seele zu geben“. Heute hingegen scheinen die Emotionen in Europa für jene zu sprechen, die die Europäische Union kritisieren und ihre „nationale Seele“ wiederentdecken. Die „Schlafwandler“ gehen um und erklären, dass es sicherer sei, die Liebe zur nationalstaatlichen Heimat zu betonen, als für ein gemeinsames Europa zu werben. Ohne Emotionen für die Idee Europa war aber die Gefahr des Nationalismus auf diesem Kontinent nie ferner. Was mir dennoch Hoffnung macht, ist die Tatsache, dass es keinen anderen Kontinent gibt, auf dem so starke Zivilgesellschaften bestehen, die nationale Abschottungen für falsch halten. Europa braucht mehr gemeinsame Öffentlichkeit für Bildung und für Kultur, ja für mich liegt in diesen Politikfeldern auch eine Mitkompetenz der Europäischen Union. Es geht dabei nicht um die Abschaffung des Nationalstaates, sondern um mehr Chancen für die kulturelle Vielfalt Europas. Joseph Roth hat mit Blick auf die multinationale Tradition Österreichs gesagt, dass er Österreich liebe, weil es ihm erlaube, Patriot und Weltbürger zugleich zu sein.
Beim Thema innovatives Europa erklären uns derzeit die meisten Politiker in der Europäischen Union, dass dieser Kontinent nur dann lebenswert und erfolgreich sein wird, wenn wir ein großes „Silicon Valley“ werden, technologische Führerschaft anstreben und möglichst nur mehr IT-Fachleute in die EU-Staaten zuwandern. Aber genügt ein solches technokratisches Europa, um Frieden, Wohlstand und (mehr) Gerechtigkeit zu sichern? Europäisches „Leadership“ kann nicht nur bedeuten, dass die EU effizient und effektiv handeln muss. Diese Ziele sind wichtig und vernünftig, aber nicht ausreichend. Sie sind leider ein Hinweis auf ein dramatisches europä- isches Politikdefizit. Weder die EU-Bürokratie noch die europäische Diplomatie können dieses Defizit ausgleichen. Fortschritt in Europa braucht mehr politischen Gestaltungswillen und mehr emotionales Engagement.
Über den Autor:
Emil Brix ist Diplomat und Historiker. Von 1986 bis 1989 leitete er das Büro des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung. Von 1990 bis 1995 war er österreichischer Generalkonsul in Krakau, anschließend vier Jahre lang Direktor des Österreichischen Kulturinstitutes in London. Er leitete die Kulturpolitische Sektion des Außenministeriums und war von 2010 bis 2015 Botschafter im Vereinigten Königreich sowie von 2015 bis 2017 in der Russischen Föderation. Seit 2017 ist Brix Direktor der Diplomatischen Akademie Wien. 2018 erschien sein mit Erhard Busek verfasstes Buch „Mitteleuropa Revisited“.
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